Der Ausdruck "hinter der Hecke" hat etwas von verstecken, sich schützen. Tatsächlich lässt sich die Sinndeutung in diese Richtung führen. Zum Einen waren es die Taunuswälder aber auch die undurchdringliche Hecken (Gebück) mit nach unten gebogenen Stämmen, diese wurden bereits von de ahle Mattiaker die hier im Taunus siedelten, zum Schutz gegen wilde Tiere aber auch gegen Feinde gepflanzt und gehegt. Frühzeitliche Bauern legten Hecken als Flurgrenzen an.
Doch wo liegt er denn jetzt, der Hochtaunus, oder wie es in der Region heißt: De Hinnertaunus? Hier muss man zwischen der politischen und der geographischen Orientierung unterscheiden. Der Hochtaunus(Kreis) findet sich geografisch fast vollständig im östlichen Hintertaunus, sein Vorland mit den "vornehmen" Städten Bad Homburg, Oberursel, Friedrichsdorf, Bad Soden, Kronberg oder Königstein liegt vor dem Taunushauptkamm und somit "vor der Höhe". So dass von dieser Seite zuweilen auch, in Richtung Hintertaunus, die Bezeichnung "die Überhöhischen" zu hören war. Aus Oberursel klang es bisweilen herüber: "Des is die Geeschend hinner de Hecke!" Aus der östlich gelegenen Wetterau schallte es in Richung Taunusortschaften, dies seien die Heckedörfer und dort lebten die Heckeraal (Heggeraal). Begegnete man ihnen, so hieß es, sie kämen "...von iwwer de Hieh", "...von hinner de Hegge". Die Nachsilbe -raal entstammt dem Wort reidel und bedeutet so viel wie Prügel oder Knüppel. Der feine Spott aus der Wetterau gegenüber den abseits Wohnenden und in deren Augen vielleicht etwas vierschrötigen Walddörflern ist aus solchen Bemerkungen deutlich spürbar.
Aber selbst im eigenen „Ländle“ macht man Unterschiede. Die Bevölkerung im Usinger Becken aber auch die Bewohner der ehemaligen Residenzstadt Usingen schauten mitunter schon etwas mitleidig in Richtung der besonders ärmlichen Feldbergdörfer an der oberen Weil. Und nicht selten hörte man hinter vorgehaltener Hand, „…dass dort die Spatzen auf dem Rücken über die Landschaft flögen, um das Elend nicht zu sehen“. Doch wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen! [Vgl. den nachfolgenden Artikel: Das "Usinger Land"]
Noch heute ist man als gebürtiger Usinger nicht sonderlich erbaut wenn es um die despektierliche geographische Einordnung "hinner de Hecke" geht. Doch der Fremde muss sich ja irgendwie orientieren, so verortete die Onlinezeitschrift 'Buchmarkt' in ihrer Oktoberausgabe 2002 das Städtchen Usingen - mit dem Ankerpunkt - "Hintertaunus bei Bad Homburg".
Ja, die mondänen Orte vor de Höh' kennt eben jeder!
Wenn auf diesen Seiten hier nun weiterhin vom "Usinger Land" die Rede ist, so gilt als Bezug die historische Grenze des ehemaligen "Amt Usingen" (1816–1866). Zu jener Zeit zählte das Gebiet eine Vielzahl von Gemeinde-Bezirken, darunter 1 Stadt, 2 Flecken, 46 Dörfer, 71 Höfe und Mühlen.
Zum sogenannten „Usinger Land“ zählen die Städte Usingen und Neu-Anspach sowie die Gemeinden Grävenwiesbach, Schmitten, Wehrheim und Weilrod. Geografisch gesehen befindet sich das „Usinger Land“ im östlichen Hintertaunus, nördlich des Hohen Taunus (Taunushauptkamm) in mitten des Naturparks Taunus. Die hüglige Landschaft reicht vom Usinger Becken auf etwa 270 m. ü. NHN, über den Pferdskopf mit 662 m. ü. NHN bis zur höchsten Erhebung, dem Großen Feldberg, auf etwa 880 m. ü. NHN.
Namens(er)findung
Bei dem Begriff „Usinger Land“ handelt es um keine offizielle Bezeichnung, sondern vielmehr um eine, sich „über die Zeit“ etablierte Benennung der Region. Namensgeber ist die ehemalige landesherrschaftliche Residenzstadt Usingen. (Sie war bis 1886 Amtssitz und danach bis 1972 Kreisstadt.)
Ab der ersten Ausgabe des Usinger Anzeiger vom 2. Februar 1867 wird zunächst ausschließlich die Formulierung für den damaligen Amtsbezirk Usingen die Benennung „Amt Usingen“, bzw. die amtsdeutsche Ausdrucksweise „Aus dem Amte Usingen“ verwendet. Beim Durchblättern der Folgeausgaben findet sich – selbst im nicht amtlichen Teil der Ausdruck nicht.
Die vermutlich erste schriftliche Erwähnung taucht in einem am 29. April 1882 erschienen (Zeitungs)Artikel im Zusammenhang mit der Korbflechtschule Grävenwiesbach auf. Eine zeitlich passende Übernahme bzw. Verwendung in weiteren Abhandlungen oder Publikationen konnte bislang nicht ausfindig gemacht werden. [Der Verfasser ist natürlich dankbar für etwaige Hinweise.]
Erst 1925 findet sich in der Ausgabe Nr. 12 der Vereinszeitschrift „Der Taunus“ des Gesamt-Taunusklubs ein Artikel von Dr. Wilhelm Dienstbach mit dem Titel: „Von Usingen und dem Usinger Land“. "Wenn der Taunuswanderer vom Feldberg nach Norden schaut, liegt vor ihm eine Senke, das Usinger Land", heißt es dort.
Um 1925 erscheint ein von Siegfried von Campe [*1885; †1972] initiiertes Buch „Das Usinger Land - Ein Heimatbuch des Kreises Usingen". (Zwischen 1921 und 1929 war von Campe Landrat in Usingen). Im Geleitwort heißt es hierzu: "Unserer Taunusheimat begeisterte Anhänger zu werben, die interessante geschichtliche Vergangenheit des Landes festzuhalten und das Leben und Treiben der Gegenwart in Wort und Bild darzustellen, das ist ein Zweck dieses Werkes." Es scheint, dass dies, gewissermaßen der Startschuss für den Gebrauch der Formulierung "Usinger Land" war. Die Bezeichnung taucht fortan immer öfter, nicht nur in der Lokalzeitung oder in Aufsätzen, sondern insbesondere auch in gemeindeeigenen Werbeschriften für den lokalen Fremdenverkehr auf. Es scheint, dass die allgemeine Akzeptanz der Formulierung in der geschriebenen wie in der gesprochenen Sprache im Zusammenhang mit dem sich ausweitenden regionalen Tourismus der 1920er-30er Jahre steht.
Später, in den frühen 1930er Jahren (ab 1933), entdeckt man in der Regionalpresse (Usinger Anzeiger) die Formulierung mehr als häufig. Die Begrifflichkeit diente den Nationalsozialisten in ihrer „überhöhten völkisch-emotionalen Sprache“ gewissermaßen als „heimatliches Wappen“.
Usingen, die 'Buchfinkenstadt' im 'Buchfinkenland'
Die Region um Usingen, also gleichsam das Usinger Land, wird im allgemeinen Sprachgebrauch auch als „Buchfinkenland“ bezeichnet. Heute firmiert eine Vielzahl von Veranstaltungen unter diesem Begriff. Ein Blick zurück soll klären, woher diese Bezeichnung stammt.
Namens(er)findung
Im 19. Jahrhundert, die hiesige Region war eine vornehmlich arme Gegend im Herzogtum Nassau, erscheint der Name erstmals, allerdings noch als Synonym „Buchfinkei“. Der Begriff war zu jener Zeit aber negativ besetzt. So schrieb der Usinger Carl Birkenstock: „Die (Behörden)Angestellten betrachteten die Versetzung in die sog. ‚Buchfinkei‘ als eine gelinde Verbannung nach Sibirien und spotteten ‚Usingen gibt’s nur einmal – glücklicher – weis!“1)
Vom 16. Bis 18. Jahrhundert war das Fangen von Vögeln weit verbreitet, die Tätigkeit galt nicht als Jagd und war somit nicht strafbar. Die gefiederten Gesellen verkaufte man im Nebenerwerb als „Sänger“, scheinbar war der Gesang des Buchfinken besonders beliebt. Auch während des 19. Jahrhunderts war im Herzogtum Nassau die Vogeljagd noch in vollem Gange und zwar derart, dass gesetzliche Regelungen ergriffen werden mussten. Eine Fang-Genehmigung war fortan notwendig.2) Allerdings scheint es so, dass nicht nur der Gesang in bare Münze umgesetzt wurde, sondern der Sänger, insbesondere im Usinger Land, auch als Speisevogel diente und diesbezüglich auf Märkten zum Verkauf stand. Nach dieser These erwuchs der Spottname „Buchfinkenland“, da sich die regionalen Bewohner, der Armut geschuldet, des Vogelfangs bedienten, um sich zu ernähren.
Im Jahre 1874 gründete sich der „Vogelschutz- und Vogel-Zucht-Verein im Amt Usingen“, mit dem Ziel, den Vogelschutz im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hielt sich noch die despektierliche Benennung […] "Der Beitrag des Ackerbaues ist gering (daher der Spottname „Buchfinkei“) […]3 schrieb Seminardirektor Heinrich Lewin aus Usingen im Jahre 1901. Der Lehrer Adolf Klein aus Wernborn führte in einer Rede an: „Oft hört man draußen in der Großstadt beim Nennen seines Heimatortes das häßliche Wort: Ach so, aus Wernborn, das liegt dort oben hinter den Hecken; oder du bist aus der Buchfinkei.“4) In den bereits erwähnten Artikel von Dr. Dienstbach, schreibt dieser: "In Scharen bevölkerten Buchfinken die stillen Wälder. Das gab der ganzen Gegend den Scherznamen 'Buchfinkei'". Bereits in den 1929er Jahren komponierte und textete der Wehrheimer Pfarrer August Thomae [*1867; †1930] ein fröhliches „Buchfinkenlied“ (Op. 17 Nr. 3), das aber keinerlei politischen Bezug enthält, wie es die nur wenige Jahre später verordneten Direktiven der NSDAP auf alles und jeden vorschreiben sollte.
Erst in den 1930er Jahren wandelte sich der bislang eher abwertende Bezug „Buchfinkenland“ und man versuchte die Abkehr, indem ein bejahender, fast schon romantisierter Bezug aufgebaut wurde. Zwar brachte es Dr. Theodor Geisel [*1890; †1954] in seiner geographischen Dissertation auch noch 1937 schonungslos auf den Punkt: „Diese Landschaft wird im Volksmund das ‚Buchfinkenland‘ genannt, womit Unwirtlichkeit und Armut der Landschaft getroffen werden sollen.“5) Wissenschaftlich zwar korrekt formuliert, doch die neuen Machthaber wollten davon nichts mehr wissen. Die Landschaften des neuen Deutschland sollten kraftvoll erscheinen, man kehrte den Begriff ins Positive um und nutzte ihn fortan zur Bildung eines verklärten Nationalbewusstseins und zur Steigerung des Fremdenverkehrs. Ein 1939 erschienener Taunusführer mag dies verdeutlichen:
[…] Im „Buchfinkenland“ ist gut sein vom frühen Sommer bis in den Herbst. Der Wald soll über dem Heuduft der Wiesen atmen, wenn wir in den spiegelklaren Bergwassern Forellen fischen und die Äpfel sich färben wollen. Die Blumenpracht in den Bauerngärten quillt über […] der Bauer nimmt sich schon mal am Abend ein Stündchen Zeit zu einem Schwatz auf der Bank in der Laube, wo der Igel unterm Zaun durchschlupft und die Distelfinken nisten […].“6) Der Bann war gebrochen, in dieser Zeit organisierten die Machthaber in den Jahren 1936 und 1938 in Usingen zwei Heimatveranstaltungen unter dem Etikett „Buchfinkenfest“. „Nun hat auch das Usinger Land, das mit Stolz den Beinamen „Buchfinkenland“ trägt, sein Heimatfest […] welches für die Organisatoren, für „Kraft durch Freude (KdF)“ und den Usinger Verkehrsverein, ein großer Erfolg wurde. […] Nahezu 5.000 Besucher stellten sich ein. Die „Buchfinken“ kamen nicht nur aus dem eigentlichen Buchfinkenlande, aus allen Orten des Usinger Landes, [sondern] auch von viel weiter her.[…]“ Wen wundert es, dass zu dieser Gelegenheit prompt auch ein „Buchfinkenschlager“7) die Musikwelt zu erobern suchte:
In unserm Vaterlande, da liegt ein Ländchen gar fein,
Es liegt am Usastrande, das Ländchen der Finken wird’s sein…
Der Führer hat es bezweckt. Er schuf uns die „Kraft durch Freude“ – und‘s Ländchen wurde entdeckt…
Kommt alle zum Heimatfeste. Zu uns nach Usingen rein, gebt euch im gastlichen Neste ein fröhliches Stelldichein… usw.
Die wenigen Zeilen verdeutlichen die unsägliche Heimattümelei der damaligen Machthaber und ihrer Gefolgschaft. (Von der "Lyrik" ganz zu schweigen.)
Mit welcher sprachlichen Wucht die NS-Gemeinschaft KdF seinerzeit das Kreis-Heimatfest bewarben und es zu etablieren suchten, zeigt ein Auszug aus einem allerorts verteilten Werbezettel: „Lieber Buchfink! Am 22., 23. und 24. August [1936] feiern wir in unserem Mutternest, der Hauptstadt des Kreises Usingen, in der Erkenntnis alter Zusammengehörigkeit erstmals ein Heimatfest, zu dem alle Buchfinken und Buchfinkinnen aus dem Usinger Land geflogen kommen. […] Ich hoffe, dass auch Du Dich entschließen wirst, in Usingen zu erscheinen […] und die Erkennungsmarke, die zum Einzug in die Hauptstadt der Finken berechtigt, nur 30 Pfennige kostet. Bereite Dich schon heute vor auf den Flug nach Usingen, wir erwarten Dich […] am ‘Heimatfest der Buchfinken‘. Mit Finken-Heil! Dein Oberbuchfink.“
Ob sich hinter dem Pseudonym „Oberbuchfink“ der damals amtierende Usinger Bürgermeister Ernst Becker [Amtszeit 1933–1938], Landrat und Schirmherr Johannes „Hans“ Lommel [Amtszeit 1933–1939] oder gar eine noch höhere NS-Instanz verbarg, muss hier offen bleiben. Tragikomisch wirkt es allemal, wenn man bedenkt, dass jeder, der diese „Unterschrift“ in der Öffentlichkeit als das was sie ist – nämlich eine Burleske – artikulierte, mit Gefängnis unbestimmter Dauer bestraft werden konnte.8)
Theodor Geisel (Text) und seine Frau Anny Geisel (Musik) erhoben in jenen Jahren [anlässlich des zweiten Usinger Buchfinkenfest 1938] ebenfalls ein „Buchfinkenlied“ - das neue Heimatlied des Buchfinkenlandes, so der Tenor - aus der Taufe, das erfreulicherweise ohne großen „braunen Pathos“ auskam. Scheinbar reichten Zeilen wie: "Wenn der Buchfink flötet im Taunusland, wenn die Amsel trillert am Usastrand, wenn im Winde wogt die junge Saat, ja dann denk' ich bei mir, meine Heimat ist hier..." um die verordnete Heimatverbundenheit auch im Liedgut gefestigt zu sehen. Das Lied war sehr populär, so dass es als Kinder- und Schullied noch nach dem Krieg in den Schulen und auf Wanderungen gesungen wurde. Die Begrifflichkeit blieb in der Region verankert. So warb der Landkreis Usingen in den 1960er Jahren mit dem Turm der Usinger Laurentiuskirche als Wahrzeichen des „Buchfinkenländchens“. Die Sporthalle der Usinger Turn- und Sportgemeinde 1846 e.V. trägt den Namen „Buchfinkenhalle“. Die lokale Gewerbeschau seit 1996 ist die „Buchfinkenmesse“. Im Usinger Ortsteil Eschbach befindet sich die „Buchfinkenschule“. Der Usinger Carneval Verein (UCV) lässt sich seinen alljährlichen „Buchfinkenumzug“ nicht nehmen. 2016 fand eine „Buchfinken-Rallye“ statt. Die Taunus-Zeitung startet ihren Lokalteil „Usinger Land“ allmorgendlich mit der Kolumne „Buchfink“. Auch die renomierte Regionalzeitung Usinger-Anzeiger titelt des Öfteren mit "Usinger Land". Nicht zu vergessen die "Buchfinken-Route", ein 37 Kilometer langer Radweg rund um Usingen - der aber ebenso erwandert werden kann.
Und so ließen sich sicher noch weitere kleine und größere „Buchfinken-Attribute“ aufzählen.
Fazit
Die Begrifflichkeiten „Usinger Land“, „Buchfinken Land“ und Usingen als „Buchfinkenstadt“ sind und bleiben wohl auch zukünftig im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Zunächst ambivalent, dann imagefördernd, zeitweilig romantisch-völkisch verklärend und zwischenzeitlich im allgemeinen Schrift- und Sprachgebrauch angekommen, sind die untrennbar miteinander verbunden.9)
1) Birkenstock, Carl, Vor 120 Jahren in Usingen. In: Usinger Land 4/5, 1981, Sp. 107.
2) Verordnungsblatt des Herzogthum Nassau, No. 31 (10. Oct. 1849), s. 481 ff.
3) Lewin, Heinrich: Das Königliche paritätische Lehrerseminar in Usingen, Festschrift zur Jubelfeier des 50jährigen Bestehens der Anstalt am 20.September 1901, S. 1.
4)
5) Geisel, Theodor, Das Usinger Becken und seine Randgebiete. Wiesbaden 1937, S. 81.
6)
7) Seinerzeit von einer anonymen Heimatfreundin publiziert.
8) Heimtückegesetz von 1933/34.
9) Vgl. zu dem Thema auch Joachim Bierwirth: Das Buchfinkenland – vom Mythos der Armut. In: Jahrbuch des Hochtaunuskreises 2004.